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Zwischen Bibel-TV und Beicht-Show

Würzburg (POW) Kirchliche Verkündigung im Fernsehen muss auf die Konsumgewohnheiten der Zuschauer zugeschnitten werden. Das hat Dr. David Hober, Koordinator für Fernseharbeit beim Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, bei einem Gastvortrag am Freitag, 13. Dezember, in Würzburg betont. An der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität machte der 38-jährige promovierte Theologe deutlich, dass Kirche im Fernsehen immer im Spannungsfeld zwischen säkularisierter Welt und Verkündigungsauftrag steht. Der frühere Theaterschauspieler hat selbst mehrere Jahre für Radio- und Fernsehanstalten gearbeitet.
 
Das Wort zum Sonntag in der ARD oder die Bibelclips auf RTL seien jeweils ein Versuch, auf das Sammelsurium von Sinnangeboten eine christliche Antwort zu geben. Während das Wort zum Sonntag im Erscheinungsbild eher konservativ sei, werde mit den Bibelclips, bei denen Verse aus der Heiligen Schrift mit nachrichtlichen Bildern unterlegt werden, bewusst auf jugendliches Publikum abgezielt. Beim Sender SAT1 gibt ein Frankfurter Kapuzinerpater als „Bruder Paulus“ vor in MTV-Manier wackelnder Kamera religiöse Statements. „Die Zuschauer verlangen Personen, an denen sie sich orientieren können. Deswegen wird ‚Bruder Paulus’ behutsam aufgebaut.“ Mit der Ausstrahlung Sonntag nachts um ein Uhr beziehungsweise Montag früh gegen sechs Uhr sei er nicht zufrieden, gab Hober zu. „Als Steigbügelhalter waren die Kirchen den privaten Fernsehsendern in den 80er Jahren recht, heute wollen sie sich nicht mehr recht an die Verträge von damals erinnern.“
 
Anders sei es bei den öffentlich-rechtlichen Sendern. Dort sichere der Rundfunkstaatsvertrag den Kirchen Sendeplätze und Gelder für die Produktion. „Wenn dann das Wort zum Sonntag noch zwischen Musikantenstadel und Boxwettkampf läuft, erreichen die Einschaltquoten schnell die zehn Millionen“, sagte Hober. 52 Sonntagsgottesdienste, abwechselnd evangelisch und katholisch strahle das ZDF jährlich aus, 13 ebenfalls alternierend von einer der großen Kirchen verantwortete Feiertagsgottesdienste die ARD. Wie bedeutend mancher Gottesdienst sei, werde daran deutlich, dass bei Gottesdiensten zu bestimmten Anlässen, zum Beispiel Hochzeiten in Königshäusern oder Trauergottesdiensten, ausgerechnet die politische, die aktuelle Redaktion oder mitunter das Ressort Unterhaltung um die Verantwortung wetteiferten. „Selbst RTL übertrug vergangenes Jahr wegen der Ereignisse des 11. Septembers erstmals einen Gottesdienst“. Das sei jedoch geschehen, ohne, wie üblich, den für den Sender zuständigen kirchlichen Verantwortlichen vorher zu fragen.
 
Das Fernsehen selbst habe als Sinnagentur die Kirchen in die zweite Reihe verdrängt. Talkrunden und Shows wie „Traumhochzeit“ seien beredtes Beispiel für religiöse Grundthemen, die aus ihrem ursprünglichen Kontext entrissen sind. „Viele dieser Programme sind nichts anderes als ein Markt für Seelenvoyeure.“ Grotesker und zugleich trauriger Höhepunkt dieser Entwicklung sei die Sendung „Meine Beichte“, die ein Privat-Sender produzieren wolle. In einem zum Publikum offenen Beichtstuhl soll laut Planung ein reuiger Sünder zunächst eine Art Lebensbeichte vor einem echten Priester ablegen. Dann solle der Priester sich ans Publikum wenden, die betreffenden Fragen mit dem Publikum und einem Psychologen diskutieren und anschließend eine stilisierte Absolution erteilen. „Eine echte Absolution soll es nicht geben, damit keine Verwechslung mit dem echten Sakrament entsteht“, zitierte Hober aus dem Exposé. Die Macher hätten ihn angefragt, ob die Kirche ein derartiges Projekt nicht finanziell unterstützen wolle.
 
In der Werbung werde verstärkt mit religiösen Symbolen gearbeitet. So spiele ein Spot für den VW Golf auf die Frage nach Schuld, Sünde und Sühne an. Das Fernsehen sei daher die beste Quelle für den Aggregatszustand religiösen Wissens in Deutschland. Als symptomatisch bezeichnete Hober die Tatsache, dass bei Günter Jauchs Millionärsshow viele Kandidaten bei Fragen zum Vaterunser oder zum Standort des Petersdoms scheiterten. Das Konzept des Kanals „Bibel-TV“ ist nach der Meinung von Hober als Mittel der Evangelisierung ungeeignet. Zu naiv und zu sehr auf Insider sei das Programm zugeschnitten. „Jesuslieder und Sandalenfilme allein machen noch kein gutes christliches Fernsehen.“ Gutes kirchliches Fernsehen müsse Antworten auf menschliche Grundfragen wie Schöpfung und Ende, Schuld und Vergebung geben. Hober denke über von der Kirche produzierte fiktionale Sendungen nach, „in denen Menschen beispielhaft ihr Leben aus dem Glauben gestalten.“ Fernsehen brauche Gestaltung, das habe die Talfahrt der Reality Shows deutlich gezeigt.
 
(5102/1625; Telefax voraus)