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Mittendrin draußen: psychisch krank

Würzburg (POW) Psychische Erkrankungen und auch die betroffenen Kranken werden in der Gesellschaft oft aus dem Bewusstsein verdrängt. Man kennt sie nicht oder will sie nicht kennen und glaubt auch nicht, dass man selbst jemals davon betroffen sein könnte. Doch diese Einstellung geht an der Realität in Deutschland völlig vorbei. Für diese große Patientengruppen ohne Lobby setzt sich daher die Caritas in diesem Jahr unter dem Motto „Mittendrin draußen: psychisch krank“ schwerpunktmäßig ein.
 
Psychosen, Schizophrenie, Depression, Neurosen, das so genannte Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, unter dem bei uns fast jedes zehnte Kind leidet, Altersdemenz oder Essstörungen – jeder dritte Deutsche erleidet einmal in seinem Leben eine psychische Erkrankung. Fast ein Fünftel aller Kinder und Jugendlichen hat mindestens einmal eine Depression gehabt. Weil sich Depressionen häufig hinter aggressivem Verhalten, Ängstlichkeit oder Apathie verbergen, werden sie meist nicht erkannt und ärztlich behandelt. Jährlich nehmen sich in Deutschland 50 bis 60 depressive Kinder das Leben. Von den schätzungsweise 500.000 Kinder psychisch kranker Eltern entwickeln viele selbst eine psychische Erkrankung oder auffällige Störung. Jeder vierte der über 65-Jährigen leidet an psychischen Störungen, knapp die Hälfte von ihnen müsste eigentlich behandelt werden. 250.000 Bundesbürger werden jedes Jahr wegen akuter seelischer Störungen in psychiatrische oder psychotherapeutische Kliniken aufgenommen.
 
Das große Unglück psychisch Kranker ist die äußere Unsichtbarkeit ihrer Erkrankung. Depressionen können nicht mit Labortests nachgewiesen werden. Psychisch Kranke werden daher häufig zu Unrecht ausgegrenzt, die Abwehr und das distanzierte Denken ihnen gegenüber sind alltäglich. „Psychische Krankheiten“, sagt WHO-Generaldirektorin Gro Harlem Brundtlandt, „sind kein persönliches Versagen. Wenn es ein Versagen gibt, dann ist es die Art und Weise, wie mit diesen Menschen umgegangen wird.“
 
Psychisch Kranke haben oft das Gefühl, überfordert zu sein: in ihrem Beruf, in der Bewältigung ihres Alltags, in ihren persönlichen Beziehungen. Ausgeliefert an nicht steuerbare Impulse, Hemmungen oder Schwächen, sehen sie sich den Anforderungen des Lebens nicht gewachsen, unverstanden, im Widerspruch zu dem, was die anderen empfinden, denken, wünschen und können. In der Hilflosigkeit der Angehörigen spiegelt sich oftmals die Hilflosigkeit der Erkranken selbst im Umgang mit ihrer Krankheit wider. Schwer einzuordnen sind unerklärliche Handlungen und unberechenbare Schwankungen im Verhalten eines Menschen, dem man nichts Außergewöhnliches ansieht. Wie damit umgehen, dass man vertraute Menschen plötzlich nicht mehr zu kennen glaubt? Wo sind für Mitmenschen die Grenzen des Erträglichen und wo beginnt das legitime Recht, sich zu schützen – um der Wahrung der eigenen Kräfte und der eigenen Würde wegen. Wie sich befreien bei psychisch kranken Kindern, Ehepartnern oder dementen Eltern? Wie sich befreien, wenn man für die Lösung dieses Problems keinen anderen Weg mehr sieht als die psychiatrische Klinik, das Pflegeheim, die Trennung. Oder wie leben mit der entsetzlichen Last, wenn sich ein naher Mensch das Leben genommen hat und man es nicht hat verhindern können?
 
Schuldzuweisungen an die Adressen der Kranken oder Angehörigen sind fehl am Platz. Psychisch kranke Menschen sind kranke Menschen, und sie brauchen das Verständnis ihrer Umwelt für ihre Krankheit. „Der einzige wahre Luxus, den es gibt, das sind zwischenmenschliche Beziehungen,“ sagte Antoine de Saint-Exupéry, der Schöpfer des Kleinen Prinzen. Diesen Luxus sollten wir uns leisten.
 
Die Caritas unterhält in der Diözese Würzburg drei Sozialpsychiatrische Dienste, fünf Wohnheime oder Wohngruppen, eine Rehaklinik, drei Tagesstätten, eine Werkstatt für psychisch Kranke, eine Selbsthilfefirma und einen Krisendienst. Allein in den stationären Einrichtungen werden über 270 Menschen betreut. In den nächsten Monaten sind eine Podiumsdiskussion und weitere Veranstaltungen zum Jahresthema geplant.
 
(0802/0239)