Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Glaubensweg im Bistum Würzburg

Joschka Hench gibt Bundesvorsitz der DPSG ab

Der 38-Jährige aus Mainaschaff ist seit seiner Erstkommunion bei der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG), seit 2018 bis Ende September sogar als Bundesvorsitzender. Die Pfadfinderei hat seinen Glauben geprägt: Er sucht Antworten auf Sinnfragen eher in der Natur und der Gemeinschaft als im Kirchenraum. Geärgert hat er sich über die Ablehnung der Bischöfe von Viola Kohlberger als Bundeskuratin.

Kleine Weichenstellungen sind oft wegweisend fürs ganze Leben: Nach seiner Erstkommunion 1993 erhielt Joschka Hench zwei Einladungen: eine für die nächste Ministrantenstunde, eine von den örtlichen Pfadfindern. „Die von den Pfadfindern war spannend geschrieben, außen angekohlt und steckte in einer Streichholzschachtel“, erzählt Joschka Hench. „Das hat mich viel mehr angesprochen.“ Es war der Anfang einer langen Karriere bei der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG).

Lange Familientradition

Bereits sein Vater und Großvater seien in der DPSG aktiv gewesen, berichtet Hench. Also stieg auch er als Wölfling beim Stamm Mainaschaff in der Diözese Würzburg ein, ging mit auf große Zeltlager mit bis zu 120 Teilnehmern und ließ sich von den Werten inspirieren. „Die Pfadfinderbewegung wurde von einem englischen General gegründet, ist in Deutschland aber inzwischen als etablierter Kinder- und Jugendverband ein lebendiger Träger außerschulischer Bildung“, sagt Hench. Wichtige Grundsätze seien die Verantwortung gegenüber sich selbst, den anderen in der Gruppe und der Gesellschaft. Rituale wie Fahnenappelle spielten in Deutschland keine Rolle, wohl aber die gemeinsame Kleidung, die sogenannte Kluft, die soziale Hintergründe ausgleichen soll.

Weltweit 57 Millionen Mitglieder

Alleine im Weltverband „World Organization of the Scout Movement“ (WOSM), zu der die DPSG gehört, sind 57 Millionen Menschen organisiert. „Das ist eine große Gemeinschaft: Wenn du in Brasilien aus dem Flugzeug aussteigst und vorher etwas mit den Pfadfindern vor Ort vereinbart hast, musst du nur nach einem bunten Halstuch Ausschau halten“, sagt Hench.

Nach der Zeit beim Stamm Mainaschaff und einer Pause ging es für Joschka Hench im Stamm Aschaffenburg weiter. Dieser Stamm sei kleiner, mit mehr Verantwortung für einzelne Mitglieder. 2003 wurde er Vorsitzender des Stammes, knüpfte internationale Kontakte. Joschka Hench hat mittlerweile 140 Halsbänder aus rund 50 Ländern gesammelt. In Deutschland zeigt das Halstuch die Altersstufe des Pfadfinders an, in anderen Ländern hat jeder Stamm seine eigenen Farben.

Mehr Pfadfinder in Deutschland

In Deutschland gibt es fünf anerkannte Pfadfinderverbände, darunter die beiden katholischen DPSG (für männliche und weibliche Mitglieder) mit gut 83.000 Mitgliedern und die Pfadfinderinnenschaft St. Georg (PSG) mit rund 10.000 weiblichen Mitgliedern. „Die Zahl der Stämme geht zwar leicht zurück, aber die Zahl der Mitglieder in der DPSG steigt“, berichtet Hench. Im Bistum Würzburg gibt es rund 45 Stämme mit 2200 Mitgliedern. Bundesweit sank die Zahl der Stämme von rund 1250 auf 1120. Ganztagesklassen, der Trend zu kurzlebigerem Engagement und die Landflucht bei Jugendlichen spüre auch die DPSG.

Joschka Hench machte nach dem Abitur 2004 und dem Zivildienst auf Burg Rothenfels eine Ausbildung zum Konditor im Betrieb seines Onkels. Er studierte Sonderpädagogik und legte die Meisterprüfungen zum Konditor und zum Bäcker ab. 2011 betreute er ein halbes Jahr lang in Südamerika deutsche Jugendliche mit Verhaltensstörungen und besuchte dort Pfadfindergruppen. 2015 stieg er im Betrieb des Onkels in die Geschäftsführung ein. Allerdings habe sich 2018 der Plan zerschlagen, den Betrieb übernehmen zu können.

Strukturelle Herausforderungen

Als Bundesvorsitzender der DPSG ist er seit 2018 verantwortlich für rund 50 Mitarbeiter im Bundesbüro in Mönchengladbach, im Bundeszentrum, einem 28 Hektar großen Gelände im Westerwald, sowie im Rüsthaus der DPSG. In seiner Amtszeit ging es vor allem um die Aufarbeitung aller Fälle von sexualisierter Gewalt in der DPSG, die Neuorganisation der Personal- und Organisationsstruktur auf Bundesebene, um das Ehrenamt zu stärken, und die Etablierung eines strategischen Rahmenkonzepts, um mittelfristige strategische Arbeit trotz wechselnder Besetzung der Führung zu ermöglichen.

2018 wurde Hench Bundesvorsitzender, trat aber bei der jüngsten Bundesversammlung im Mai nicht mehr an. Nachfolger wurde Sebastian Becker aus Bad Orb. Bis Ende September ist Hench noch im Amt, was danach kommt, sei offen: „Ich fülle das Amt im Moment noch mit jeder Faser aus, danach muss ich erst einmal Kraft tanken“, kündigt der 38-Jährige an. Schließlich habe er in den vergangenenJahren zwischen 60 und 70 Stunden pro Woche und mehr als 40 Wochenenden im Jahr für die DPSG gearbeitet. „Das waren sehr intensive Jahre.“

Glaubensweg geprägt

Die Zeit als Pfadfinder habe auch seinen Glaubensweg geprägt: „Ich tue mich schon immer schwer mit dem Begriff Gott“, erzählt Hench. Obwohl sein Elternhaus in Mainaschaff nur wenige Meter von der Pfarrkirche entfernt steht, ist er dort nur alle paar Monate zumGottesdienst. „Die Kirche war noch nie der Ort, an dem ich mich mit Sinnfragen auseinandergesetzt habe.“

Er vermisse in Gottesdiensten „das Gefühl, mir selbst etwas Gutes zu tun, also sozusagen für meine Seele zu sorgen“. Er wisse, dass bestimmte Rituale wie etwa ein Rosenkranzgebet vielen sehr wichtig seien und wie eine Meditation wirken könnten. „Aber für mich ist das halt nichts.“ Stattdessen seien ihm die Natur, die Gemeinschaft am Lagerfeuer oder das Zusammensein beim Essen wichtiger. „Da kann ich mich selbst als Teil eines großen Ganzen erleben.“

Als Pfadfinder erfahre er immer wieder eine „weltumfassende Vertrauensbasis auf Augenhöhe“ sowie Momente großer Tiefe und Spiritualität. „Gipfelerlebnisse“ nennt das Joschka Hench. Das habe aber nichts mit Berggipfeln zu tun, sondern könne auch im Alltag passieren. „Um die Großartigkeit der Schöpfung zu erleben, braucht es nur den richtigen Rahmen.“ Auch in seinen Führungsrollen sei es ihm immer wichtig gewesen, „Menschen die Auseinandersetzung mit Sinnfragen zu ermöglichen“.

Auf der Suche nach Sinn habe er auch die Bibel komplett gelesen. „Da steht viel Langweiliges drin, auch die meisten Bilder sind veraltet, aber die Hauptbotschaft spricht mich an“, fasst Hench seine Eindrücke zusammen. Den Auftrag zur Nächstenliebe und zur Zufriedenheit mit sich selbst erachtet er aber als absolut zeitgemäß. „Man muss schauen, dass es einem selbst und allen anderen gut geht“, sagt Hench. Ganz nach dem alten Pfadfinder-Motto „Versuche, die Welt ein kleines bisschen besser zu machen, als du sie vorgefunden hast.“

Konkrete Hilfe für die Menschen

Joschka Hench sieht Religion und Kirche in der Pflicht, Menschen Hilfe im Leben zu geben. Gerade bei der Caritas oder in der Jugendarbeit erkenne er das auch.  Wenn er sich jedoch die aus seiner Sicht verkrusteten Machtstrukturen und die nicht ausreichende Aufarbeitung der Fälle von sexualisierter Gewalt in der Amtskirche ansehe, habe er erhebliche Zweifel.

Als Beispiel nennt er auch den Streit zwischen DPSG und Deutscher Bischofskonferenz um die Wahl von Viola Kohlberger zur Bundeskuratin: Einige Bischöfe lehnten ihre Wahl ab, hätten aber keine Begründung geliefert. Hench und sein Team blieben ziemlich ratlos zurück. Bei der Bundesversammlung blieb die Stelle vorerst unbesetzt, der Streit zieht mittlerweile immer weitere Kreise. Noch ist Hench Kirchenmitglied, auch weil es Voraussetzung für seine hauptamtliche Stelle sei, aber: „Die katholische Kirche macht es mir nicht gerade leicht, dass ich ihr noch einen großen Stellenwert in meinem Leben einräume.“ 

Für das Frühjahr 2025 hat er eine mindestens dreimonatige Reise mit seiner Frau und den beiden noch nicht schulpflichtigen Töchtern geplant.