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„Grosse Freud den Hirten auff dem Land“

Hammelburg/Kloster Altstadt (POW) Stolz holt Franziskanerbruder Pius Pfaller das Buch aus dem alarmgesicherten Klosterzimmer. Es stammt aus dem 16. Jahrhundert, gedruckt 1563 in Frankfurt am Main. 120 handkolorierte Bilder erzählen die Geschichte von „Jerusalem – Die Alte Haubtstat der Juden“ und berichten in deutscher Sprache vom Leben Jesu: „Daß der Engel deß Herrn den Hirten auff dem Land dise grosse freud verkündt hab/ daß der Heylmacher Christus der Herr in der Statt David zu Bethlehem geborn sey. Und die Hirten haben das Wort funden/ das Mensch worden/ unnd inen der Herr offenbart.“ Über der Schrift eine farbige Zeichnung mit der Geburtsszene von Betlehem: Josef mit lichtem Haar hält in der einen Hand die Laterne, die andere legt er über Marias Schulter. Das Kind mit Heiligenschein liegt in einem geflochtenen Körbchen und winkt. Auf der linken Seite knien zwei Hirten mit Schwert und Hut, rechts fließt Wasser aus einem Brunnentrog.
 
„Es gab einen früheren Franziskanerprovinzial, der dieses Buch nach München bringen wollte. Doch was in Kloster Altstadt katalogisiert ist, bleibt hier!“ Energisch pocht der 68-jährige Bibliothekar, Koch und Guardian Pius Pfaller auf die Besitzansprüche des Hammelburger Franziskanerklosters. Dabei ist dieses Druckwerk nur einer von 7000 Bänden aus dem 16. bis 20. Jahrhundert, 350 Postinkunabeln aus der Reformationszeit und 76 Inkunabeln aus den Jahren vor 1500, die das Kloster vor den Toren der Saalestadt aufbewahrt. Die Bibliothek ist eine Schatztruhe aus den Anfangsjahren des Buchdrucks.
 
Gesellschaft leisten dem Heilig-Land-Buch Schriften der mittelalterlichen Theologen Petrus Lombardus, Thomas von Aquin und Jakobus von Voragine, die 1548 in Basel gedruckte Weltchronik des Sebastian Munster, ein Kräuterbuch von 1577 und das Geographische Handbuch des Matthis Quaden mit einer Weltkarte von 1600. Luthers Schriften finden sich ebenso im Reich der Altstadter Franziskaner wie handgeschriebene Antiphonalien, Gradualien und Responsorienbücher für das Chorgebet der Ordensmänner. Senior unter dem wertvollen Buchbestand ist schließlich ein Missale von 1472.
 
„Wir sind eine gut ausgestattete Klosterbibliothek und wurden nicht säkularisiert“ erzählt der Bibliothekar. Seit 1649 leben Franziskaner im Kloster Altstadt am Fuß von Schloss Saaleck. 1659 beginnt das Ordensstudium der thüringischen Franziskanerprovinz in Hammelburg. Die Bedeutung des Konvents steigt. Priester aus dem Hammelburger Raum schenken der theologisch-philosophischen Hochschule im Kloster ihre Bücher. Eine beachtliche Bibliothek zu Theologie und Philosophie, aber auch zu Mathematik, Medizin, Geschichte und Naturwissenschaften wächst heran. Im Jahr 1700 werden die Werke geordnet. Die Nachschlagekataloge sind bis ins Computerzeitalter Kompass bei der Suche in der Hammelburger Klosterbibliothek.
 
Bruder Pius ist es zu verdanken, dass die Bücher heute sicher und sachgerecht aufbewahrt werden. Als Guardian des Klosters baut er ab 1980 die Bibliothek im ehemaligen Hörsaal der theologisch-philosophischen Hochschule auf. Mit Hilfe von Bruder Bernardin aus München ordnet er den Bestand nach dem Verzeichnis von 1700. „Bis auf ein Buch sind alle verzeichneten Bücher da.“ Heute macht Bruder Pius vor allem die Restauration der jahrhundertealten Werke Sorge. „Sobald wir Geld habe, lasse ich Inkunabeln renovieren.“ Zuletzt bei der Leipziger Diplom-Restauratorin Eleonore Teichert, nachdem er mit Arbeiten in München nicht zufrieden war. Teichert erneuerte das Kräuterbuch von 1577, reinigte jedes Blatt, ergänzten Fehlstelle und band das Werk neu. Apotheker aus ganz Unterfranken kommen nach Hammelburg, um darin Wissenswertes über Kraft und Wirkung der Kräuter zu lesen. „Es ist interessant, dass die Wissenschaft auf diesem Gebiet heute nicht weiter ist wie vor fast 500 Jahren. Die Kräuter werden heute nicht anders angewandt wir damals“, sagt der Bibliothekar lachend.
 
Vorbei an 50 Bibeln aus den vergangenen fünf Jahrhunderten, 37 großen Büchern aus der Baseler Druckerei des Hammelburger Johannes Frobenius und einem „richtigen Schmöker“ mit dem gesamten Wissen des Jahres 1501 geht es zum absolutem Herzstück des Bibliothek. Im Panzerschrank des Klosters hütet Bruder Pius zwei Inkunabeln. Das Missale Romanum von 1492 zählt dazu. „Angeblich gibt es weltweit nur zwei Exemplare dieses liturgischen Buchs.“ Jeweils sieben verschiedene Notensätze zu Gloria, Credo und „Ite, missa est“ schmücken die Blätter des Zeugnisses aus den Anfangsjahren des Buchdrucks. Der Klosterbibliothekar zeigt diesen Schatz vor allem den vorbeikommenden Professoren der benachbarten Bayerischen Musikakademie. „Ich teste die Herren. Die meisten können nicht nach diesen Notenblättern aus dem 15. Jahrhundert singen“, sagt Bruder Pius schmunzelnd und stellt das Missale schnell wieder in den Tresor.
 
(5002/1605)