Liebe Schwestern und Brüder!
„Bist du noch zu retten ?! “, entgegnen wir manchmal jemanden, der etwas Unverständliches, völlig Verrücktes oder Unvernünftiges sagt oder tut. „Sind wir noch zu retten?“ ist deshalb eine berechtigte Frage, die im heutigen Evangelium an Jesus gerichtet wird. Eine Frage, die uns auch in unserer Zeit umtreibt, wo so viel Unverständliches, Verrücktes in dieser Welt passiert, wir so viel an Durcheinander und Unordnung erleben. „Sind wir [also] noch zu retten?"
„Bemüht euch mit allen Kräften durch die enge Tür zu gelangen", antwortet Jesus. Welche Tür ist da gemeint? Es geht Jesus um die Tür ins Reich Gottes. Und auch hier gilt - wie immer bei Jesus - dass bei IHM „Reich Gottes“ nicht die Ewigkeit meint, bzw. nicht nur. Für Jesus beginnt „Reich Gottes“ im Hier und Jetzt, in der Gegenwart.
Jesus hat diese Tür zum Reich Gottes weit aufgemacht und ist selbst hindurchgegangen. Reich Gottes bedeutet für ihn, dass alle Menschen sich verstehen, dass einer den anderen achtet und respektiert, dass die Menschen Gott, den Nächsten und sich selbst lieben, sich einsetzen für Frieden und Gerechtigkeit, einander vergeben und verzeihen, wie Gott uns vergibt und vieles mehr. Reich Gottes bedeutet Liebe anstatt Hass, Vergebung anstatt Nachtragend sein, Freiheit anstatt Unterdrückung, Gerechtigkeit anstatt Machtmissbrauch, Leben anstatt Tod. Im Grunde ist es die Tür zum Paradies, die hier gemeint ist, zum „Paradies auf Erden“, so wie es ja auch von Gott von Anfang der Schöpfung an gedacht war: alles war gut und in Ordnung.
Um das zu verdeutlichen greift Jesus die Vision auf, die schon der Prophet Jesaja vor ihm formuliert hatte (wir haben es in der Lesung gehört): „Sie werden von Osten und Westen, und von Norden und Süden kommen und im Reich Gottes zu Tisch sitzen". Reich Gottes bedeutet, dass Menschen zusammenkommen, nicht nur an einem Ort, sondern auch menschlich. Das heißt, dass sie miteinander zurechtkommen, an einem Tisch sitzen können, sich also auf Augenhöhe begegnen und jeder satt wird von dem, was da auf dem Tisch liegt ... und eben nicht nur ein paar wenige und andere ausgeschlossen sind und in die Röhre schauen.
Doch die Tür, die da Jesus aufgestoßen hat, ist eng. „Bemüht euch mit allen Kräften durch die enge Tür zu gelangen". Das bedeutet, dass all das eben kein Selbstläufer ist. Nächstenliebe bedeutet halt auch, dass ich mich manchmal zurücknehmen muss, Gottesliebe bedeutet, dass ich Zeit investieren muss, Liebe zu mir selbst bedeutet, dass ich ehrlich zu mir sein muss. Dem anderen dienen bedeutet, dass ich mich manchmal bücken muss, Gerechtigkeit bedeutet Teilen, Frieden bedeutet, dass ich manchmal nachgeben oder zumindest zum Kompromiss bereit sein muss, Vergeben bedeutet, dass ich meinen Stolz hintenanstelle. Und überhaupt: Wer durch diese Tür, die Jesus uns anbietet, durchgehen will, der muss sich erst einmal auf den Weg machen, aktiv werden, auf Deutsch gesagt: „den Hintern hochkriegen“. Nachfolge ist eben manchmal auch beschwerlich und der Glaube nicht nur Wellness für die Seele. „Ich bin die Tür zum Leben" sagt Jesus von sich. Darum geht es nämlich, um das Leben - aber für alle gleichermaßen. Bin ich bereit, drängt es mich, diesen Weg der Nachfolge zu gehen, auch wenn es für mich „eng“ werden könnte?
Das ist die Frage, die wir uns stellen müssen aber ich bin auch davon überzeugt: Nur das ist wirklich unsere Rettung. Deshalb gilt es sich immer wieder auf den Weg zu machen, Nachfolge zu praktizieren und zu leben, bei allen Grenzen und Unzulänglichkeiten. Denn irgendwann kann es auch zu spät sein für diese Welt und für mich selbst. Manche Türen gehen nämlich irgendwann zu und bleiben es dann auch. Wir wissen ja: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben." Wenn wir aber unserer Sehnsucht nach dem Reich Gottes Raum geben, dann rennen wir bei Jesus offene Türen ein. Und ich bin davon überzeugt: Wenn wir diesen Weg gehen, dann werden sich auch neue Türen öffnen, werden wir neue Räume erleben können, wird sich Ungeahntes und Überraschendes auftun: Zuletzt sogar die Tür zum Himmel in Vollendung.