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Dokumentation

Mit dem Leben für das einstehen, was man verkündet

Predigt von Bischof Dr. Franz Jung beim Evensong in Maynooth am Mittwoch, 2. Oktober 2024

Liebe Mitbrüder im bischöflichen Amt,

liebe Schwestern und Brüder im Herrn,

herzlich grüße ich Sie zusammen mit den Pilgerinnen und Pilgern aus dem Bistum Würzburg! Heute Morgen sind wir von Würzburg aus aufgebrochen zu unserer Pilgerreise nach Irland, um die Reliquien der Heiligen Kilian, Kolonat und Totnan noch einmal in ihre irische Heimat zurückzubringen.

Der Bischof Kilian eint die Bischöfe

Da der Heilige Kilian der Überlieferung nach als Bischof dargestellt wird, eint er uns in der bischöflichen Verantwortung. So ist es eine schöne Fügung, dass wir an diesem Abend zusammenkommen, an dem Sie ihre Beratungen als irische Bischofskonferenz beschließen. In der Gegenwart des Heiligen Kilian und auf seine Fürsprache hin vereinen wir uns gemeinsam im Gebet mit den Gläubigen, die unserer Hirtensorge anvertraut sind.

Dankbarkeit für die Glaubenszeugen

Wir kommen mit dem Gefühl großer Dankbarkeit nach Irland. Denn wir wissen, dass es irische Boten waren, die den Glauben an Jesus Christus in unsere fränkische Heimat gebracht haben. Glauben braucht Zeugen. Das spüren wir heute mehr denn je.

Denn Menschen vertrauen immer weniger Institutionen. Sie haben keine Geduld mehr, sich mit Glaubenssätzen auseinanderzusetzen. Aber unsere Zeitgenossen werden aufmerksam, wenn sie Zeugen erleben. Zeugen, die sie nachdenklich machen, die sie herausfordern, die sie begeistern oder die zumindest durch die Botschaft ihre bisherigen Gewissheiten erschüttern. Vor allem suchen sie nach Zeugen, die mit ihrem Leben wirklich für das einstehen, was sie anderen verkünden.

Ich spüre die Herausforderung, die darin liegt. Denn wir müssen diese Art der Verkündigung neu erlernen. Es geht nicht nur darum, Glaubenswahrheiten zu verkünden. Vielmehr sind wir gefordert zu bezeugen, dass und wie diese Wahrheiten unser eigenes Leben verändern und uns selbst zur Umkehr rufen.

Genau das haben unsere Frankenapostel getan. Sie haben ihren Glauben bezeugt in Wort und Tat. Darin sind sie uns ein leuchtendes Vorbild. Dafür sind wir ihnen bis heute dankbar. Die Mahnung des Apostels Paulus aus dem Hebräerbrief betrachten wir deshalb als heilige Verpflichtung: „Gedenkt eurer Vorsteher, die euch das Wort Gottes verkündet haben! Betrachtet den Ertrag ihres Lebenswandels! Ahmt ihren Glauben nach!“ (Hebr 13,7) Gemeinsam wollen wir uns in diesen Tagen auf die Quellen unseres Glaubens besinnen. Wir wollen miteinander diesen Glauben vertiefen und bezeugen.

Peregrinatio und die Kirche im Aufbruch

Ein besonderes Kennzeichen der irischen Missionare war die Pilgerschaft. Dabei eiferten sie dem Vorbild Abrahams nach, der der Verheißung Gottes glaubte. Er gehorchte dem Auftrag: „Geh fort aus deinem Land, aus deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde!“ (Gen 12,1) Wie Abraham wollten sie in eine unbekannte Zukunft aufbrechen.

Auch das Wort, das Jesus im Anschluss an die Begegnung mit dem reichen Jüngling den Jüngern sagte, traf sie mitten ins Herz: „Jeder, der um meines Namens willen Häuser oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Kinder oder Äcker verlassen hat, wird dafür das Hundertfache erhalten und das ewige Leben erben.“ (Mt 19,29) Die Verheißung des ewigen Lebens gab ihnen die Kraft, die zeitlichen Güter gering zu schätzen. So wurde die „peregrinatio propter Christum“, das „Leben in der Fremde um Jesu Christi willen“ zu ihrer Mission.

Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich im Fach Kirchengeschichte zum ersten Mal von der „peregrinatio“ der irischen Missionare gehört hatte. Trotz seines biblischen Fundaments kam mir der Gedanke der „freiwilligen Fremdheit um Jesu Willen“ seinerseits völlig fremd vor. Diese Vorstellung, einfach ins Unbekannte aufzubrechen, war mir befremdlich, wie aus einer anderen, einer fernen, längst vergangenen Welt. Das hat sich mittlerweile gründlich geändert.

Denn die Kirche ist in unseren Tagen vielen Menschen fremd geworden. Die enge Beziehung von Kirche und Staat löst sich zusehends auf. In vielen Bereichen hat Kirche nicht mehr die Deutungshoheit und ihre Meinung ist nicht mehr gefragt. Wir selbst müssen uns trennen von Institutionen und Gebäuden, weil wir sie nicht mehr bezahlen oder mit Inhalt füllen können. Die Fremdheit ist längst eine Realität geworden.

Zeit also, die peregrinatio wieder einzuüben. Das sieht auch Papst Franziskus so, der von „einer Kirche im Aufbruch“ spricht (EG 46). Er wünscht sich eine Kirche im Aufbruch mit offenen Türen. Eine Kirche, die bereit ist, in die „menschlichen Randgebiete“ zu gehen – den irischen Missionaren nicht unähnlich. Sie sind an die Ränder einer neuen Welt aufgebrochen, um das Evangelium zu verkünden. Von ihnen müssen wir die innere Freiheit neu lernen, das Alte loszulassen. Nur so können wir wie sie mutig zu unbekannten Ufern aufbrechen.

Die Einübung in die wahre Furcht

Wovor sollen wir uns als Kirche fürchten? Das ist die Frage, die Kilian und seine Gefährten uns stellen. Das ist keine akademische Frage. Diese Frage ist vielmehr hineingesprochen in die vielfältigen Krisen der Kirche.

Auf die kirchliche Situation gewendet, lautet die Frage dann: Wollen wir die hergebrachte Gestalt von Kirche retten, also den Leib?

Oder zeigen uns nicht die aktuellen Krisen vom Kindesmissbrauch bis zum Machtmissbrauch, dass wir Gefahr laufen, als Kirche unsere Seele zu verlieren, wenn wir uns einer grundlegenden Umkehr verweigern?

Kilian, Kolonat und Totnan lehren uns, den richtigen Tod zu sterben. Sie warnen uns, keine Fassade hochzuhalten, hinter der nichts mehr steht. Vielmehr ermutigen sie uns, Glaubwürdigkeit wiederzugewinnen, indem wir uns als Kirche selbst bekehren. Die Seele retten wir, wenn wir unsere Mission nicht verraten.

Unsere Mission verraten wir dann nicht, wenn wir von den Empfängern der Botschaft her denken. Dann geht es nicht mehr um eine kirchliche Mission, sondern um eine missionarische Kirche. Genau das verlangt ja auch der Papst von uns. Das ist eine Herausforderung, deren Anstrengung wir derzeit eher ahnen als schon genau zu wissen, wie das gehen soll. Nichtsdestoweniger mahnen uns Kilian und seine Gefährten, dieser Herausforderung nicht auszuweichen, auch wenn es bedeutet, den richtigen Tod zu sterben, um die eigene Seele zu retten.

Liebe Mitbrüder im bischöflichen Amt,

liebe Schwestern und Brüder im Herrn,

die Botschaft der drei irischen Missionare und Frankenapostel hat seit 1350 Jahren nichts von ihrem Anspruch verloren. Sie rufen uns auf zu einem unerschrockenen Zeugnis. Sie laden uns ein, neu aufzubrechen in die Fremde. Und sie ermutigen uns dazu, lieber die Seele zu retten als den Leib. Die kommenden Tage bieten uns sicher noch reichlich Gelegenheit, ihr geistliches Erbe neu zu entdecken. Darauf freue ich mich sehr in den Begegnungen mit Ihnen allen. Schon jetzt sage ich von Herzen Danke für Ihre Gastfreundschaft! Amen.