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„Es war immer mehr als Arbeit für mich“

Karola Herbert nach 35 Jahren als Sozialpädagogin im Haus Antonia Werr verabschiedet – Ute Berger übernimmt Leitung des Fachbereichs Frauen

Kloster Oberzell (POW) „Ich setzte den Fuß in die Luft, und sie trug.“ Dieses Zitat von Hilde Domin hat sich wie ein roter Faden durch den Rückblick gezogen, mit dem sich Karola Herbert bei einem Festakt im Norbertussaal im Kloster Oberzell am Donnerstag, 27. Juni, von den Oberzeller Franziskanerinnen verabschiedete. 16 Jahre lang leitete sie den Fachbereich Frauen, mehr als 30 Jahre wirkte sie als Sozialpädagogin im Haus Antonia Werr. Insgesamt ist sie den Oberzeller Schwestern seit über 40 Jahren verbunden. Ihr Abschied in die Freistellungsphase der Altersteilzeit wurde von vielen bewegenden Worten begleitet. Tanja Joa und Sara Brenner, Mitarbeiterinnen des Fachbereichs, führten charmant durch die Abschiedsfeier, die Saxophonistinnen Christina Bernard und Regina Reiter, Mitglieder des Audax-Quartetts, begeisterten mit ihren Stücken. Am Ende des Festakts erhoben sich alle Gäste von ihren Plätzen und würdigten Herbert mit langanhaltendem Applaus.

Viele Momente in ihrem Arbeitsleben seien zunächst Schritte ins Ungewisse gewesen, erzählte die 63-Jährige den rund 80 Gästen. Aber sie habe immer wieder erfahren, dass es sich lohne, sich nicht abzuwenden und da einzusetzen, wo es nötig sei. „Dass die Luft, in die ich den Fuß setzte, tatsächlich trug, lag wahrlich nicht alleine an mir. Ich bin diesen Weg all die Jahre nie alleine gegangen.“ Anhand einer Bilderpräsentation ließ sie die Gäste teilhaben an ihrem beruflichen Werdegang. Während ihrer Beschäftigungszeit habe sie vier Generaloberinnen kennengelernt. Herbert dankte der Trägerin für das jahrzehntelange Vertrauen, die große Entscheidungsfreiheit und den Rückhalt – auch in Krisenzeiten.

300 bis 350 Frauen habe sie in den vergangenen 31 Jahren alleine im „Vorübergehenden Wohnangebot“ kennengelernt und viele von ihnen auch begleitet, sagte Herbert. Und daneben unzählige wohnungslose Frauen in der Kurzzeitübernachtung. „Ich durfte an deren Entwicklung, deren Glücksmomenten, Sorgen und Nöten teilhaben. Gemeinsam wurde gefeiert, gelacht, gekämpft, aber mitunter auch geweint über so viel Ungerechtigkeit und Leid, das über einen einzelnen Menschen kommen kann.“

Gemeinsam mit ihren Kolleginnen habe sie die Frauen unterstützt und dabei auch viel von Einzelnen gelernt. „Es wurde mir so viel Vertrauen entgegengebracht. Auch ich durfte an und in dieser Arbeit wachsen und reifen. Was ich im Fachbereich getan habe, war immer mehr als Arbeit für mich.“ Besonderen Dank richtete sie an ihre Mitarbeiterinnen und ihre Stellvertreterin Ute Berger, die nun die Leitung des Fachbereichs übernommen hat. „Wir haben uns ergänzt. Ihr habt ausgeglichen, was ich nicht so gut vermochte. Wir setzten immer wieder den Fuß in die Luft, und sie trug!“

Ausdrücklich dankte sie den Kooperationspartnerinnen und -partnern sowie Sponsorinnen und Sponsoren, von denen viele anwesend waren. Elena Wagner und Micaela Morasch überreichten Herbert und Berger eine Spende von 500 Euro des Inner-Wheel-Clubs Hofgarten und unterstrichen damit, dass sie die wertvolle Arbeit der Oberzeller Franziskanerinnen auch weiterhin unterstützen werden.

Eine bewegende Überraschung hatte das Team des Fachbereichs Frauen für die scheidende Chefin vorbereitet. Mehrere Kolleginnen erhoben sich von ihren Plätzen und intonierten abwechselnd ebenfalls ein Gedicht von Hilde Domin, das Herbert jahrelang an ihrer Pinnwand begleitet hat. So füllte sich der Raum mit den Worten: „Nicht müde werden, sondern dem Wunder leise wie einem Vogel die Hand hinhalten.“ Anhand dieser Zeilen würdigten drei Weggefährten Herbert und ihre Arbeit.

„Du hast immer gebrannt für die Sache und für die Frauen“, sagte Generaloberin Schwester Dr. Katharina Ganz. Herbert sei kräftemäßig dabei oft an und über ihre Grenzen gegangen. Sie sei nie müde geworden, immer am Ball geblieben und habe nach Lösungen gesucht, bis alle Möglichkeiten ausgeschöpft waren. „Wer einem Menschen die Hand hinhält, öffnet sich auch für Gott. Oftmals incognito, schüchtern und zaghaft anklopfend. Wie ein Vogel.“

Als „dezent, unaufdringlich, unauffällig, zurückhaltend leise und doch mit großer Achtsamkeit“ beschrieb Berger ihre bisherige Vorgesetzte. Ihre Tür sei immer offen gewesen, ein Zeichen, dass frau zu ihr kommen konnte. „Du warst da – leise und zuverlässig – für uns alle, Kolleginnen wie Bewohnerinnen. Deine Präsenz hat Vertrauen ermöglicht. Du hast uns angesteckt mit Deiner leisen Hoffnung auf Veränderung.“ Zudem sei sie eine, die Hand anlege, eine Schafferin mit unglaublich viel Kraft und Elan.

Für Professor Dr. Christoph Walther, Sozialarbeiter und Professor für Soziale Arbeit an der Technischen Hochschule Nürnberg, hat Herbert Erstaunliches erreicht, da sie Entwicklungen ermöglichte, wo es kaum denkbar war. Sie habe gelernt, dass auch Rückschritt, Misslingen und Scheitern Bestandteile eines Prozesses sein können. Sie würde Halt anbieten auf individueller Ebene: den Frauen, die Beziehungsabbrüche, Bindungsängste und Verletzungen erlebt haben. Walther betonte: „Haltefähigkeit kann nur entwickeln, wer selbst eine innere und äußere Halterung hat.“ Walther begleitet Herbert seit ihrem Studium an der Fachhochschule Würzburg, wo er zu dieser Zeit als Lehrbeauftragter tätig war. Während seiner Zeit im Sozialpsychiatrischen Dienst des Bayerischen Roten Kreuzes Würzburg arbeitete er zudem viele Jahre eng mit Herbert zusammen.

Zur Person: Karola Herbert

Karola Herbert absolvierte von 1978 bis 1980 eine Ausbildung zur Erzieherin an der Fachakademie für Sozialpädagogik Sankt Hildegard in Würzburg, damals in Trägerschaft der Oberzeller Franziskanerinnen. Nach einem Berufspraktikum wirkte sie von 1981 bis 1985 als Erzieherin im heilpädagogisch orientierten Mädchenheim der Oberzeller Schwestern im Haus Antonia Werr im Würzburger Stadtteil Sanderau und von 1985 bis 1990 als Erzieherin im Internat beim Hörgeschädigtenzentrum in Würzburg. 1990 nahm sie das Studium der Sozialen Arbeit an der Fachhochschule Würzburg auf. 1993 wurde sie Sozialpädagogin im Haus Antonia Werr und wurde 2008 die die erste weltliche Leiterin des Fachbereichs Frauen der Oberzeller Franziskanerinnen. 2023 wurde Herbert mit dem Ellen-Ammann-Preis ausgezeichnet.

Anja Mayer (Kloster Oberzell)

(2824/0697; E-Mail voraus)

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